Die Nachrichten sind verstörend, die Konsequenzen umstritten. Die einen demonstrieren ihre Ungeduld jeden Freitag, die anderen verweigern sich allen Maßnahmen zum Klimaschutz. Wie den Klimaveränderungen zu begegnen ist, in welchem Tempo und mit welcher Radikalität, ist zum wichtigsten Thema in den politischen Debatten 2019 geworden. Der Autor Jonathan Safran Foer hat dazu ein Buch beigesteuert, das auch eine Anleitung zum Handeln enthält: „Wir sind das Klima“.
Drogerie-Unternehmer Dirk Rossmann war von Foers Analyse so beeindruckt, dass er kurzerhand 25.000 Exemplare kaufte und via Aufruf in einer Talkshow verschenkte. Da hatte das Buch ohnehin schon die Spiegel-Bestsellerliste erreicht. Foer, erfolgreicher Romanautor, hat wie mit seinem ersten Sachbuch „Tiere essen“ 2009, in dem er die Massentierhaltung und ihre Folgen kritisch untersuchte, einen Nerv getroffen. Nun setzt er sich klug und persönlich mit der Frage auseinander, warum die Bedrohung der Lebensgrundlagen so wenig konkrete Handlungen auslöst.
Ein Blick in die Familiengeschichte gibt ihm dabei Hinweise. Foers Großmutter floh aus Polen vor den Nazis, weil sie glaubte, etwas tun zu müssen. Sie ging als Einzige. Die Familienmitglieder, die blieben, wurden von den Nazis ermordet. Und Foer führt das Beispiel des polnischen Untergrundkämpfers Jan Karski an, der in den USA über die tödliche Bedrohung durch die Nazis informieren wollte, aber auf eine Mauer des Unglaubens traf. Niemand wollte das Schreckliche wahrhaben.
Damit beschreibt Foer auch eine Haltung zur Klimakatastrophe. Während in Momenten persönlicher Betroffenheit die Kräfte über das normale Maß hinauswachsen können, fehlt diese Gabe bei einer abstrakten Bedrohung wie der Klimaveränderung.
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Foer zeigt Entwicklungen auf und argumentiert, er setzt sich mit der eigenen Unzulänglichkeit auseinander. Sein in fünf Abschnitte gegliederter Text ist über weite Strecken eine direkte Ansprache an die Leserinnen und Leser, abwägend, erklärend. Daneben liefert er Zahlen und Vergleiche. Keine anstrengende wissenschaftliche Arbeit, aber gut recherchierte Fakten und irritierende Erkenntnisse. Und mitunter rückt er die Maßstäbe anders als erwartet zurecht: „Es gibt eine viel schädlichere Weise, die Fakten zu ignorieren als die von Trump – die nämlich, die sie selbstzufrieden akzeptiert.“ Klimaleugner wie US-Präsident Trump sind in Foers Augen damit weniger entscheidend als die ignorante Masse: „Wir, die wir wissen, was passiert, aber viel zu wenig unternehmen, haben viel mehr Zorn verdient. Vor uns selbst sollten wir Angst haben.“
Mit seiner Argumentation knüpft Foer beim Thema seines ersten Sachbuchs an. Denn eine der wichtigsten Maßnahmen zur Reduzierung der CO2-Emissionen ist für ihn der Verzicht auf Fleisch. Foer verlangt keinen vollständigen Verzicht. Aber einen, der tierische Produkte erst am Abend zulässt. Denn nicht nur die Tierhaltung selbst verschlechtert die CO2-Bilanz. Für mehr Fleischkonsum verschwinden auch Wälder, die kein CO2 mehr aus der Atmosphäre herausfiltern, und bei der Brandrodung das in ihnen gespeicherte CO2 auf einen Schlag wieder abgeben.
Auch er selbst hole sich ab und an einen Burger, gibt Foer zu. Aber er setzt auf einen Bewusstseinswandel und auf Differenzierung. Um das Zwei-Grad-Ziel des Pariser Abkommens einzuhalten, dürfte die individuelle CO2-Bilanz bis 2050 pro Jahr 2,1 Tonnen nicht übersteigen. Eine Portion Rindfleisch verursacht 3,0 Kilogramm CO2-Emissionen, eine Portion Gefügel 0,57 Kilo, eine Portion Kartoffeln 0,01 Kilo. „Keine tierischen Produkte zum Frühstück und Mittagessen zu konsumieren“, so Foer, „spart jährlich 1,3 Tonnen.“
Foers Rat: „Jeder wird relativ bald etwas essen und kann sofort etwas gegen den Klimawandel unternehmen.“ Es ist nicht der einzige Weg, viele andere sind wahrscheinlich notwendig, Foer nennt die Vermeidung von Flugreisen, den Verzicht auf das Auto, weniger Kinder kriegen. Aber die Ernährungsumstellung ist ein Weg, der preiswerter und schneller zu ersten Ergebnissen führt als beispielsweise der Ausstieg aus fossilen Brennstoffen. Und jede und jeder hat es in der eigenen Hand. Foer: „Die Welt zu retten fängt beim Frühstück an.“
Jonathan Safran Foer: „Wir sind das Klima! Wie wir unseren Planeten schon beim Frühstück retten können“, Kiepenheuer & Witsch, Köln 2019336 Seiten, 22 Euro, ISBN: 978-3-462-05321-0