Sie können einem schon Angst machen, die Populisten dieser Welt. In der Regierungsverantwortung agieren sie sprunghaft und unberechenbar. Aber sie jagen nicht nur ihren Gegnern Angst ein, sondern auch ihren Anhängern – und das mit Absicht. Der österreichische Journalist und Autor Michael Laczynski bringt das Erfolgsrezept der Populisten auf die einfache Formel: „Fürchtet Euch und folgt uns.“ In seinem gleichnamigen Buch beschreibt er den Aufstieg populistischer Parteien und Politiker in Europa und in den USA, ihre Entwicklung, ihren Nährboden, ihr Vorgehen, er analysiert faktenreich und differenziert Ähnlichkeiten und Unterschiede und macht Vorschläge, wie die Ursachen für das Erstarken der Populisten bekämpft werden können.
Die Erfolge der Populisten haben die politischen Systeme in etlichen Ländern durcheinandergewirbelt, sie machen Regierungsbildungen immer schwerer, haben bei den Präsidentschaftswahlen Sozialisten und Konservative in Frankreich marginalisiert. In Österreich wollen sich die Konservativen gerade als Anti-Establishment-Partei neu erfinden.
Anzeige:
Bücher von Michael Laczynski bei Amazon
Es gibt einige nationale Unterschiede, aber auch gemeinsame Muster. „Je niedriger der Bildungsgrad und je prekärer die Beschäftigungssituation, desto höher die Bereitschaft, für eine Anti-System-Partei zu stimmen“, so Michael Laczynski. Eine Bereitschaft, die, so Laczynski, „bei Männern, älteren Wählern und Landbewohnern tendenziell höher als bei Frauen, Jungen und Städtern“ sei. Die Wähler und Wählerinnen von FPÖ, AfD, Front National und Co. schauen voller Sorgen in die Zukunft, sie haben Angst vor Veränderungen. Beispielhaft sind die Einstellungen der Brexit-Befürworter: 78 Prozent halten die Umweltschutzbewegung für böse, 71 Prozent sehen im Internet „Teufelszeug“, 69 Prozent sind gegen die Globalisierung, 81 Prozent gegen Multikulturalismus. Und während im wirtschaftlich stark gebeutelten Süden Europas Linkspopulisten profitieren, sind es im besser gestellten Norden Rechtspopulisten.
Populistische Parteien sprechen mit ihren Parolen zu einem nicht geringen Teil Arbeiter an, sie erreichen „Abgehängte“, in manchen Regionen aber auch bürgerliche Schichten, die Angst vor einem möglichen sozialen Abstieg haben. Die Ängste speisen sich nicht nur aus ökonomischen Veränderungen, sondern auch aus dem sozialen Wandel. Ob in Frankreich, Dänemark oder bei der Entscheidung über den Brexit – immer wieder ist dabei auch das Thema Zuwanderung mitentscheidend. Wobei die populistischen Parteien mit Feindbildern flexibel umgehen: Wandten sie sich in den neunziger Jahren noch gegen Zuwanderung aus Osteuropa, haben sie nun den Islam als Kernthema.
Toleranzschwelle gesunken
Befragungen zeigen: Die Lebenszufriedenheit hat sich in Europa, zumindest im Norden, nicht signifikant verschlechtert. Aber, so Laczynski, die Toleranzschwelle gegenüber den etablierten politischen Kräften ist zuletzt deutlich gesunken. Nehmen die Probleme nun tatsächlich und nicht nur gefühlt zu, kann das Potential der Populisten weiter wachsen.
Populisten mussten nicht mitregieren, um – wie in Dänemark oder Österreich – Gesetzesverschärfungen oder ein Burkaverbot durchzusetzen. Aber ein Populismus-Wettbewerb zahlt sich in der Regel für die traditionellen Parteien nicht aus. Ebenso wenig hilft es, so Laczynski, die eigene Politik als alternativlos zu bezeichnen oder die Wirklichkeit schöner zu reden als sie ist. Der „Treibstoff Angst“ müsse den Populisten entzogen werden. Das funktioniert mit einer Integrationspolitik, die Ankommende und Einheimische gleichermaßen in die Pflicht nimmt, und mit einer Steuerpolitik, die wirkungsvoll für mehr Gerechtigkeit sorgt und die Steuerlast besser zwischen Beschäftigten und Vermögenden ausbalanciert. Laczynski warnt davor, auf die Wähler der Populisten herabzuschauen. Tatsächlich gebe es Verlierer der Umstrukturierungen. Wer das verneine, heize Ressentiments weiter an.
Nicht alles, was Laczynski an Beobachtungen und Statistik widergibt, ist neu und überraschend. Die Stärke seines Buches besteht in der zusammenhängenden Analyse, die – mit vielen Zahlen, Fakten und Beispielen untermauert – bis zur Jahrtausendwende zurückreicht und auch die Versäumnisse der traditionellen Parteien benennt. Außen vor bleibt allerdings die Nutzung der sozialen Netze durch Populisten, die dort ein eigenes kleines Universum der Selbstbestätigung geschaffen haben. Und lohnenswert wäre wohl auch ein genauerer Blick auf das internationale Zusammenspiel populistischer Parteien. Ulrich Horb
Michael Laczynski, Fürchtet euch und folgt uns, Kremayr & Scheriau 2017, 224 Seiten, ISBN: 978-3-218-01062-7, 24,00 €, als e-Book: 16,99 €