Im Jahr 2013 erschien Ernst Pipers Kulturgeschichte des Ersten Weltkriegs „Nacht über Europa“. Darin beschrieb er mit Blick auf die gemeinsamen kulturellen Erfahrungen Europas, wie die Nationen das „Zeitalter des Gemetzels“ herbeiführten, welche Konsequenzen die Spaltung der Arbeiterbewegung hatte und wie die Niederlage von 1918 in Deutschland unheilvolle Nachwirkungen hatte. Als Herausgeber hat er jetzt namhafte Historikerinnen und Historiker zusammengeholt, die einen größeren Zeitraum in den Blick nehmen: „Das Zeitalter der Weltkriege 1914 – 1945“
Ernst Piper, seit 2006 Privatdozent für Neuere Geschichte an der Universität Potsdam, hat selbst eine Reihe von Beiträgen übernommen. Zu den Autorinnen und Autoren gehören u.a. Dr. Gerd Hankel, der 2001 an der Ausstellung „Verbrechen der Wehrmacht“ beteiligt war, der Journalist und Historiker Sven Felix Kellerhoff oder der Militärhistoriker Prof. Dr. Sönke Neitzel.
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Während eine der größten Leistungen des 19. Jahrhunderts, so Piper, die „Einengung der Gewalt“ in Europa gewesen sei, ist die Zeit zwischen den beiden Weltkriegen „gekennzeichnet durch eine nicht abebbende Fülle militärischer Konflikte, Bürgerkriege wie zwischenstaatlicher Kriege“.
Der jetzt vorliegende, reich illustrierte Band geht diesen Konflikten nach, er beschreibt die Technisierung des Kriegs und die Veränderungen der Kriegsführung, er stellt Fragen nach Kriegsschuld. Piper verweist in seiner Einführung auf die Prophezeiung Bebels, der 1911 davor warnte, 16 bis 18 Millionen Männer bei einem „großen Generalmarsch“ in den Krieg in Europa zu schicken mit der Folge von Massenelend, Hungersnot und gesellschaftlichem Umsturz, während konservative Reichstagsabgeordnete dazwischenriefen: „Nach jedem Krieg wird es besser.“
Stig Förster beschreibt in seinem Beitrag die Entgrenzung der modernen Kriegsführung, der es nicht mehr um Sieg, sondern um Vernichtung geht, während Alexander Hoerkens die Rolle des einzelnen Soldaten in den Mittelpunkt stellt. Mit der Gewöhnung an die Institution Wehrmacht, so Hoerkens, ging die „Gewöhnung an Gewalt und Brutalisierung des Kriegs sowie an das Dauererlebnis der Ausnahmeerfahrung“ einher. Christopher Kopper untersucht die unterschiedliche Finanzierung der Kriege von 1914 und 1939. Helmut Hammerich beschreibt die Entwicklung der Waffentechnik am Beispiel der Panzerwaffe.
Es sind sehr unterschiedliche Blickwinkel, die die Autorinnen und Autoren einbringen. Militärhistorischen Sichtweisen stehen Beschreibungen der Folgen für die Menschen gegenüber. Dem Blick auf die Entwicklung in Deutschland folgen Einschätzungen der historischen Abläufe in Italien oder Spanien, die vielleicht in der Leseabfolge etwas zu weit nach hinten geraten sind.
So zeigen die Beiträge eine Vielzahl unterschiedlicher Facetten der Epoche auf, sie geben erste Einblicke in die jeweilige Thematik, die mit Hilfe umfangreicher Literaturhinweise im Anhang auch intensiver erarbeitet werden kann. Sie machen aber auch das Anliegen Ernst Pipers deutlich, die Zeitspanne zwischen 1914 und 1945 als Einheit zu betrachten, mit all ihren Kontinuitäten und Fortentwicklungen, die letztlich im Mai 1945 ein verwüstetes Europa zurückließen, das aus seinen Erfahrungen zu lernen begann.
„Das Zeitalter der Weltkriege: 1914-1945“, Edition Lingen Stiftung, Hardcover, ca. 304 Seiten, Format: 21,5 x 29,5 cm, ISBN: 978-3-942453-69-1, EUR 24,95