Heute dauert die Fahrt von Spandau ins vierhundert Kilometer entfernte Oldenburg keine vier Stunden. Welche Mühen die Reisenden auf dieser Strecke vor mehr als tausend Jahren erwartete, lässt sich nur erahnen. Doch schon damals bestanden enge Handelsbeziehungen zwischen der Stadt an der Havel und der mächtigen Festung unweit der Ostsee. Die Geschichte der einstmals slawischen Ansiedlungen erzählt anschaulich eine Dauerausstellung im Wallmuseum der ostholsteinischen Stadt.
Oldenburg, sechzig Kilometer nördlich von Lübeck, hat knapp zehntausend Einwohner. Sie ist eine der ältesten Städte Schleswig-Holsteins. 1235 wurde ihr durch Graf Adolf IV. das Lüb’sche Stadtrecht verliehen. Aber selbst da hatten ihre Vorgänger-Siedlungen an gleicher Stelle schon einige Jahrhunderte auf dem Buckel. Davon zeugt heute vor allem der mächtige Wall, der wenige hundert Meter vom Marktplatz entfernt mitten im Stadtzentrum liegt.
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Vom gut erhaltenen Ringwall der slawischen Fürstenburg „Starigard“ aus, der „alten Burg“, lassen sich die Backsteinbauten der Oldenburger Altstadt mühelos überblicken. Die achtzehn Meter hohe Anlage wurde bereits Ende des 7. Jahrhunderts geschaffen. Sie bot Schutz für eine slawische Siedlung, die an der Stelle eines älteren germanischen Dorfes trat. Slawen und Germanen lebten hier zunächst friedlich miteinander. Die Slawen waren aus dem Dnjepr-Gebiet gekommen. Nach dem Zerfall des Hunnenreiches hatten sich slawische Stämme im 5. Jahrhundert auf die Wanderung nach Westen und Süden begeben. Sie erreichten den Balkan, die Ostgrenze des Frankenreiches bei Elbe und Saale sowie Brandenburg, Mecklenburg und Holstein. Starigard wurde ihr westlichster Vorposten, bewohnt von „tapferen Männern“, wie Helmold von Bosaus Chronik aus dem 12. Jahrhundert berichtet.
Dass sich Oldenburg zu einem bedeutenden Handelszentrum entwickelte, lag vor allem an der verkehrsgünstigen Lage. Vom Hafen, an einem Nebenarm des einstigen Ostseesundes gelegen, war in kurzer Zeit das Meer zu erreichen, Schiffe waren schnelle und bequeme Transportmittel. Der Wall selbst, das ist im Oldenburger Museum anschaulich dargestellt, wurde aus kastenförmigen Holzgestellen errichtet, die mit Sand aufgefüllt wurden.
Schon im 8. Jahrhundert wurde die bestehende kreisförmige Anlage durch einen angrenzenden zweiten Ringwall erweitert. Bei Ausgrabungsarbeiten des Schleswig-Holsteiner Archäologen Prof. Dr. Karl Wilhelm Struve wurde die wechselvolle Geschichte der Siedlung deutlich. Heidenkult und Christentum prallten hier aufeinander, Germanen und Slawen lebten teils friedlich, teil kriegerisch mit- und nebeneinander. Starigard war Zentrum der Wagrier, wie die Neuankömmlinge in Anlehnung an einen alten Namen genannt wurden, es war von 968 bis 1160 Bischofssitz und politischer und kultureller Mittelpunkt Wagriens. Die Siedlung war durch enge Handelsbeziehungen mit anderen slawischen Städten verbunden, darunter Spandau, einem Zentrum des damaligen „Osthandels“.
1149 wurde die Anlage durch Dänen zerstört, bei einem Thronstreit hatten die Oldenburger auf der falschen Seite Partei ergriffen. Das Wallmuseum, in dem diese Geschichte lebendig wird, ist einer alten holsteinischen Hofanlage mit mehreren Häusern nachempfunden. Das Museum nimmt derzeit zwei der großen Häuser ein. In einem sind vor allem Fundstücke aus der Befestigungsanlage untergebracht, ein anderes gibt mit einer nachgebauten Dorfszene Einblick in das Leben und den Alltag, die Einrichtung der Häuser und die Werkzeuge der Handwerker. Hier finden sich auch Details aus der Spandauer Geschichte sowie Grabfunde.
Der Beitrag ist 1992 entstanden. Das Wallmuseum Oldenburg ist vom 1. April bis 31. Oktober dienstags bis sonntags von 10 bis 17 Uhr geöffnet, der Eintritt kostet (Stand Juli 2015) sechs Euro.