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Cover "Wieder wie 1914"
Cover „Wieder wie 1914“

„Biographie eines vergessenen Sozialdemokraten“, so lautet der Untertitel des Buches von Lothar Wieland über Heinrich Ströbel (1869-1944). Dass so wenig Erinnerungen an Ströbel blieben, ist nicht nur dem Tod in der Emigration geschuldet. Ströbel, der frühe Mahner vor dem 2. Weltkrieg, passte auch nicht in Bild der Mehrheitssozialdemokratie, die er zweimal verließ.

„Heinrich Ströbel“, so attestierte es ihm Kurt Tucholsky 1929, „ist einer der wenigen Führer der SPD, die niemals umgekippt sind; einer, der immer nur die Wahrheit gesagt hat, kein ,Taktiker’ und kein ,Paktierer’.“ Das Bild von Ströbel, das Lothar Wieland detail- und faktenreich auf weit über 300 Seiten ausbreitet, zeigt eine  Persönlichkeit, die von den Erfahrungen des 1. Weltkriegs geprägt zum Mahner vor dem Krieg wurde.
Ströbel, 1889 noch während der Sozialistengesetze zur Sozialdemokratie gestoßen, war ab 1900 politischer Redakteur des Vorwärts und ab 1908 Mitglied des Preußischen Landtags. Er gehörte dem Reichstag an, war kurze Zeit für die USPD Ministerpräsident von Preußen und steuer- bzw. finanzpolitischer Sprecher.


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Ströbel setzte auf eine grundlegend neue Friedensordnung, er forderte einen „rücksichtslosen Bruch mit der blutbesudelten Vergangenheit“. Ohne eine wirkliche Aussöhnung mit Polen und Frankreich, ohne ein friedensorientiertes, abgerüstetes  Deutschland, sah er bereits frühzeitig einen Zweiten Weltkrieg heraufziehen. Ströbel warb für einen gerechten Interessenausgleich, etwa in der Frage der Reparationszahlungen. Die SPD rief er zu einer konsequenten Oppositionspolitik auf.

Seine Warnungen erschienen in der „Weltbühne“ oder in „Das Andere Deutschland“. Das von ihm propagierte friedenpolitische  Konzept war auch der Versuch, SPD, KPD und SAP zum gemeinsamen Handeln zu bringen. Aber eine entschlossene  Gegenwehr gegen die von den alten Kriegstreibern aus Wirtschaft und Adel unterstützten Nationalsozialisten kam nicht zustande. Im Gegenteil, Ströbel verlor immer mehr an Wirkungskraft und publizistischem Einfluss. Desillusioniert emigrierte er 1931 in die Schweiz. Die persönliche Bedrohung hatte zugenommen, die Errichtung der faschistisch-deutschnationalen Diktatur schien ihm nur noch eine Frage der Zeit. Vergeblich warb Ströbel für ein System der kollektiven Sicherheit, eine weltweite Koalition der Länder gegen den Faschismus. 1944 starb er in Zürich. Lothar Wielands Verdienst ist es, auch Ströbels aktuelle Bedeutung aufzuzeigen.

Wieland, Lothar „Wieder wie 1914!“ Heinrich Ströbel (1869-1944) – Biografie eines vergessenen Sozialdemokraten, ISBN: 978-3-938275-49-8, Preis: 22.80 EUR

Von Ulrich Horb

Jahrgang 1955, lebt und arbeitet als Journalist und Fotograf in Berlin

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