Wirtschaft und Arbeitswelt verändern sich rasant. Aber innovative Unternehmer und neue Ideen haben es schwer in Deutschland. In seinem Buch „In der Innovationsfalle“ beschreibt Malte Behrmann, Hochschullehrer an der bbw Hochschule in Berlin, wie Innovationen behindert werden und wie sich Strukturen ändern müssen.
Prof. Malte Behrmann (46) hat 2004 den Bundesverband der Entwickler von Computerspielen (G.A.M.E e.V.) mitgegründet und jahrelang für ihn gearbeitet, er ist Anwalt und unterrichtet an einer privaten Hochschule Medien-Management, Kommunikation und Recht. Aus seinen persönlichen Erfahrungen und Einblicken ist ein spannendes und lebendiges Buch entstanden, das in zwölf Einzelkapiteln Probleme und Chancen der Digitalisierung und der gegenwärtigen Strukturveränderungen beschreibt.
Behrmann berichtet von den Begegnungen mit innovativen Unternehmerinnen und Unternehmern und der Politik und sieht erheblichen Handlungsbedarf. Erfolgreiche Gründer haben nach Behrmanns Erfahrung keinen unbedingt gradlinigen Lebenslauf, ja oft noch nicht einmal einen Studienabschluss. Einige gelten als Außenseiter. Und sie stoßen häufig genug auf Widerstände, weil sie mit ihren Innovationen die bestehende Ordnung bedrohen. Förderprogramme sind lückenhaft, so Behrmanns Feststellung, viele Gründer fallen durch alle Raster, eine vernünftige Startup-Förderung müsste das Risiko auf ein verträgliches Maß beschränken. Heute sind es oft nur die Berater, die gut verdienen.
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Innovationen sind nicht zwangsläufig nur neue Technologien, es kann sich auch um ein neues Design oder eine Geschäftsidee handeln. Öffentlich geförderte Entwicklung hält Behrmann nicht immer für innovativ, sinnvoll könnte es dagegen sein, erfolgreiche Projekte, die ohne Fördermittel entstanden, beim Markteintritt zu unterstützen. Das aber sehen die Förderrichtlinien meist nicht vor. Ebenso wenig wie neue Software oder innovative Gestaltung bislang förderwürdig erscheinen.
Auch wenn es der deutschen Wirtschaft derzeit augenscheinlich gut geht – ohne Innovation lässt sich das nicht bewahren. Deutschland braucht kreative Köpfe und findige Startups. Aber sie haben einen Wettbewerbsnachteil: Der deutschsprachige Markt ist viel kleiner als der amerikanische – bei gleich hohen Fixkosten amortisiert sich eine Investition damit nicht schnell genug. Letztlich aber führt das auch dazu, so Behrmann, dass es Kulturgüter aus dem deutschsprachigen Raum, zu denen er etwa auch Computerspiele zählt, schwer haben. Mittels eigener Medienprodukte aber werde auch unsere Kultur medial reproduziert. Deshalb müsse der Heimatmarktanteil eine relevante Größe erreichen.
„Mit Fug und Recht kann die Medien- und Kreativwirtschaft als Blaupause für die Digitalisierung der gesamten Wirtschaft angesehen werden“, so Behrmann. Die Revolution im Medienbereich, der Streit um Piraterie und Urheberrecht, der kommerzielle Erfolg von Browserspielen und Spielplattformen im Internet, der Ersatz gedruckter Medien durch Tablets – aus all dem müssten Lehren für die weitere Digitalisierung gezogen werden. „Erkenntnisse wie das the winner takes it all-Phänomen gelten auch für die digitale Wirtschaft“, stellt Behrmann mit Blick auf Google und andere monopolähnliche Unternehmen fest. Und die deutschen Industrieunternehmen sollten mehr als bisher den direkten Draht zum Kunden pflegen und diesen Kontakt (und damit die Daten) nicht anderen überlassen.
Die Förderung von Gründerbereitschaft sieht Behrmann als gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Derzeit gebe es eine große Koalition der Arbeitsplatzbesitzer. Und noch immer herrsche ein altes Bild von Selbständigen vor, die genug Geld verdienen, um sich und ihre Mitarbeiter zu ernähren. Der Alltag vieler Selbständiger sehe heute jedoch anders aus, ihre soziale Absicherung sei gering. Und altbewährte Sozialpartnerschaftsmodelle funktionieren zwar in den großen Betrieben, aber nicht unbedingt in Startups.
Neue Überlegungen fordert Behrmann beim Schutz des geistigen Eigentums. Das Urheberrecht dürfe nicht missbraucht werden, um Patente in der Schublade verschwinden zu lassen. Es müsse eine Abwägung zwischen privaten Eigentumsansprüchen und dem Interesse der Allgemeinheit geben.
Oft gelinge es heute nur großen Unternehmen, Fördertöpfe, sofern überhaupt vorhanden, ausfindig zu machen. Kleine und mittlere Unternehmen bleiben auf der Strecke. Das Innovationssystem müsse durchlässiger werden, neue Unternehmen sollten auch direkt finanziell unterstützt werden, so Behrmann. Und er fordert ein eigenständiges Startup-Förderprogramm mit jährlich 200 Millionen Euro Fördervolumen. Erfolge lassen sich nur schwer voraussagen, sie kommen mitunter auch völlig überraschend. Nicht immer wird das Risiko belohnt, auch Scheitern und Neuanfang sind möglich. Auch das zu akzeptieren wäre innovativ.
Malte Behrmann, In der Innovationsfalle: Überlegungen zu einer zukunftsfähigen Innovationsförderung, 198 Seiten, ibidem Verlag, Sept. 2017, ISBN-13: 978-3838211398, 19,90 Euro