Di. Mrz 19th, 2024
Cover "Von Wutbürgern und Brandstiftern"
Cover „Von Wutbürgern und Brandstiftern“

„Wir gehen davon aus, dass die AfD, würde ihr Macht und Einfluss zuteil, eine gefährliche und auf Dauer unser Gemeinwesen zerstörende Dynamik entfesseln könnte.“ So deutlich bringt es der Politologe Prof. Dr. Hajo Funke in seinem Buch „Von Wutbürgern und Brandstiftern“ auf den Punkt. Funke legt damit mehr als eine Studie zu den Hintergründen und Erscheinungsweisen des Rechtspopulismus und Rechtsradikalismus vor. Es ist auch eine politische Kampfansage.

Der Politikwissenschaftler beschreibt das Unbehagen und die Ressentiments, auf denen Pegida, AfD und rechtsradikale Netzwerke aufbauen. Es sind die weltweiten Krisen, für die sich keine Lösungen zeigen, die Korruptionsfälle, die Steuerflucht, die Betrügereien wie bei VW. „Die Wahrnehmung einer Welt, die nicht mehr kontrollierbar erscheint, führt zu individuellen und kollektiven Verunsicherungen.“ Dazu kommen – trotz einer florierenden Wirtschaft – die persönlichen Abstiegsängste. Die im neoliberalen Zeitalter abgebaute öffentliche Daseinsvorsorge und zunehmende, soziale Ungleichheit verstärken Ängste, die zunehmend in Aggression umschlagen. Das einstige (sozialdemokratische) Aufstiegsversprechen gilt nicht mehr.


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Vorbehalte und Vorurteile gibt es, so zeigt es auch die an der Leipziger Universität entstandene „Mitte-Studie“, unter Anhängern aller Parteien. Aber, so Funke: „Die Umfrage zeigt, dass die AfD in ihrer Anhängerschaft die Ressentimentbehafteten bündelt.“ So halten über 70 Prozent der AfD-Anhänger die Bundesrepublik für „überfremdet“, bei der SPD sind es etwas mehr als 30Prozent. Funke: „Die dynamische Entwicklung der rechtspopulistischen und rechtsradikalen Bewegungen konnten wir in den letzten beiden Jahren beobachten, die Ergebnisse der ,Mitte-Studie’ zeigen ihr ausweitbares Potenzial.“ Auch rassistische Gewalt dehne sich aus. Belege liefert Funkes Buch mit den Berichten aus den Opferberatungsstellen östlicher Bundesländer. Strafverfolgungsbehörden attestiert er dabei durchaus „Wahrnehmungsdefizite“.

Am Beispiel des Straßenterrors von Tröglitz, der auch mit persönlicher Bedrohung des von der CDU aufgestellten Bürgermeisters und seiner Familie einherging, beschreibt er die Wirkungskette. Der Brandanschlag auf eine geplante Flüchtlingsunterkunft wird zum Erfolg des Neonazi-Terrors. „Es ist das erklärte Ziel von Neonazis, die Macht des Rechtsstaats zu brechen und an ihrer Stelle die Willkürmacht der Straße zu setzen“, so Funke. Dass es bei  verschiedenen Anlässen nicht gelungen ist, das Gewaltmonopol der Polizei durchzusetzen, sieht Funke als Grund für spätere rechtsradikale Gewaltakte andernorts.

Den Pegida-Anhängern bescheinigen Studien ein „paranoides Weltbild“. So wurden u.a, 1000 Facebook-Kommentare auf der Seite der Bewegung aus dem Jahr 2015 ausgewertet. Aussagen über Flüchtlinge, Migranten und Muslime zielen dabei „durchgängig auf Abwertung, Delegitimation und Schuldzuweisung“. Funke: „Das Weltbild von Pegida besteht – so die Auswertung der Einträge auf Facebook – vordergründig aus der Wahrnehmung einer unmittelbar bevorstehenden oder in Gang befindlichen Übernahme Deutschlands und Europas durch den Islam und dessen totalitärer Herrschaft.“ Dahinter stünden arabische Staaten, unterstützt, warum auch immer, von deutschen und europäischen Regierungen und den Medien. Das rechtfertigt nach Einschätzung der Schreiber das Vorgehen gegen Flüchtlinge mit allen Mitteln. „Aus der Analyse des Nationalsozialismus und seines Antisemitismus wissen wir, dass die Kraft des krankhaft Paranoiden unzähmbar ist, wenn sie nicht frühzeitig gestoppt wird. Am Ende kennt sie nur ein Ziel, dass nämlich die Invasoren, die ,uns’ zerstören, ausgeschaltet werden müssen, damit das eigene Volk überlebt“, schreibt Funke. „In dieser Logik ist jede Flüchtlingspolitik Verrat am Volk.“ Funkes Vorwurf geht hier vor allem an die CDU-geführten Landesregierungen, die nicht ausreichend und entschieden genug Stellung bezogen hätten.

Funke lässt dem Pegida-Kapitel eine kurze Beschreibung der unterschiedlichen regionalen Bewegungen und ihrer Vernetzungen mit der Neonazi-Szene folgen. Als „rechtspopulistisch in der Methode“ und „rechtsradikal in der Substanz“ beschreibt Funke die AfD nach der Entmachtung der „Professorenriege“ um Parteigründer Bernd Lucke. „Selten in der Geschichte des Rechtspopulismus und Rechtsradikalismus verwandelte sich im Nachkriegseuropa eine gemäßigte Rechtspartei so schnell und so radikal von der Spitze aus in eine Partei der rechtsradikalen Agitation“, stellt Funke fest.

Die Machtübernahme durch die Vertreter der „Erfurter Resolution“ und die „Patriotische Plattform“ hat die Partei radikalisiert. „Die AfD fordert eine Bundesrepublik Deutschland, die sich weit weg von den Standards rechtsstaatlich freiheitlicher Demokratie befindet“, so Funke. Die AfD strebe wie die
extreme neue Rechte die „Reinhaltung“ von Staaten und Gesellschaften nach „Ethnien“ als völkische Nationen an. Dass die AfD-Vorsitzende Petry inzwischen – nach Erscheinen des Buches – den Begriff „völkisch“ wieder salonfähig machen möchte, erscheint in dieser Ausgrenzungslogik nur konsequent.Der Rechtsruck der AfD zeige sich im Besonderen in der Islamfeindlichkeit und der beabsichtigten Einschränkung der Religionsfreiheit, sagt Funke. Das sei ein klarer Verfassungsbruch.

Funke setzt sich mit den Protagonisten der AfD und ihren zum Teil kruden genetischen Thesen auseinander, er beschreibt die handelnden Personen, die in der AfD die Vernetzung mit Pegida-Rednern, Identitären oder gewaltbereiten Rechtsextremisten vorantreiben. Die AfD, so Funkes Einschätzung, will eine andere Republik.

Funke zeigt die Grenzen der Arbeit gegen rechts auf und beschreibt die Gefahren für den sozialen Frieden. Während sich die AfD-Spitze moderat gebe, entwickele sie sich in der Ausrichtung radikal. Seine Bestandsaufnahme ergänzt der Politikwissenschaftler mit Thesen zur Integration und einem Appell an die Demokraten , „gerade nicht mit Angst Politik zu machen“. Er fordert den sozialen Ängsten Gehör zu verschaffen – mit bezahlbarem Wohnraum, einer Bildungspolitik, die Chancen eröffnet, einer umfassenden Arbeitsmarktpolitik mit Sicherung von Mindestlöhnen und der Hilfe für Langzeitarbeitslose. Noch lasse es sich verhindern, dass Rechtspopulismus die Mitte der Gesellschaft erreicht, ist Funke überzeugt. Wohl auch deshalb grüßt er auf der letzten Seite seines Buches alle Aktiven in demokratische Parteien und Gewerkschaften, die gegen rechts kämpfen.

Hajo Funke, „Von Wutbürgern und Brandstiftern. AfD – Pegida – Gewaltnetze“, 184 Seiten, Broschur, Verlag für Berlin und Brandenburg, ISBN: 978-3945256640, Preis: 16 Euro, September 2016

Von Ulrich Horb

Jahrgang 1955, lebt und arbeitet als Journalist und Fotograf in Berlin

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